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Ächten wir die unflätigen anonymen Netzattacken

Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist eines der elementaren Grundrechte in der Demokratie. Es ist im Artikel 10 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten[1] festgelegt.

Was sich aber derzeit im Netz, in den Internet-Foren vor allem der Tages- und Wochenzeitungen abspielt ist der pure Wahnsinn.

Ordinärste und primitivste Attacken auf die scheidende Landesrätin K. Edlinger-Ploder in der Steiermark oder auf die künftige Stanford-Studentin Laura Rudas machen uns deutlich, dass wir alle etwas gegen die im Schutze der Anonymität unternommenen Ehrabschneidungen tun müssen.

Zeitungen die solche Attacken auch noch auf Leserbriefseiten veröffentlichen – früher zeichnete man Leserbriefe mit dem eigenen Namen oder schrieb die Zeitung: „Name und Anschrift der Redaktion bekannt“, wenn es für den Schreiber negative Auswirkungen gehabt hätte – kann man nur als Beitragstäter bezeichnen.

Das Argument eines Redakteurs einer oö Qualitätszeitung– auch auf einem Stammtisch würden sich die Wutbürger (nicht immer fein) Luft verschaffen – das sei eben als freie Meinungsäußerung auch zu ertragen – ist einfach nur dumm.

Einmal kann man auf einem Stammtisch den Grad der Trunkenheit des „Kritikers“ erkennen und wohl auch die Person identifizieren. Zudem gibt es kaum die nötige qualifizierte Öffentlichkeit im Sinne des Strafrechts[2].

Attacken im Netz erreichen hunderte, wenn nicht tausende Leser und die Anonymität wird nicht nur weidlich für Unflätiges genützt, die Poster beweihräuchern sich auch noch selbstgefällig als „Beobachter 2000“, „Demokrat 3000“ oder was weiß ich mit welchen Selbsterhöhungen.

In Österreich wird niemand seinen Job verlieren oder grobe Nachteile haben, wenn er seine Kritik namentlich zeichnet und für das anonyme Anzeigen strafbarer Sachverhalte gibt es die geeigneten Whistleblower-Programme.

Also mein Aufruf, ächten wir die dumpfen anonymen Attacken und kündigen wir die Abos von Zeitungen, die solche auch noch abdrucken.

 


[1] Europäische Menschenrechtskonvention (Art. 10)

Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention)
BGBl. Nr. 210/1958 – Die Europäische Menschenrechtskonvention ist gemäß BVG BGBl. Nr. 59/1964 mit Verfassungsrang ausgestattet.

Artikel 10 – Freiheit der Meinungsäußerung

(1) Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Dieser Artikel schließt nicht aus, dass die Staaten Rundfunk-, Lichtspiel- oder Fernsehunternehmen einem Genehmigungsverfahren unterwerfen.


(2) Da die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, kann sie bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten.

 

[2] Beleidigungen

§ 115 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) beschreibt den Tatbestand der Beleidigung:
Wer öffentlich oder vor mehreren Leuten einen anderen beschimpft, verspottet, am Körper misshandelt oder mit einer körperlichen Misshandlung bedroht, ist, wenn er deswegen nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen.

„Vor mehreren Leuten“ bedeutet nach § 115 Abs. 2 „in Gegenwart von mehr als zwei vom Täter und vom Angegriffenen verschiedenen Personen,“ die die Beleidigung wahrnehmen können. In der Praxis bedeutet dieser Standard, dass viele Fälle, in denen Personen beschimpft, verspottet oder misshandelt werden, nach österreichischem Recht nicht strafbar sind, weil das Opfer nur einen oder gar keinen Zeugen hat.

„Einfache“ Beleidigung ist als ein Privatanklagedelikt ausgestaltet. Der Beleidiger wird nur auf Antrag des Opfers verfolgt. Im Falle eines Freispruches des Beleidigenden sind die Prozesskosten vom Beleidigten selbst zu tragen.

Das StGB enthält zudem in § 117 Abs. 3 eine qualifizierte Form der Beleidigung. Wenn die Beleidigung aufgrund der Zugehörigkeit des Opfers „zu einer [solchen] Kirche oder Religionsgesellschaft, zu einer Rasse, zu einem Volk, einem Volksstamm oder einem Staat bestimmte Gruppe“ und “entweder in einer Misshandlung oder Bedrohung mit einer Misshandlung oder in einer die Menschenwürde verletzenden Beschimpfung oder Verspottung besteht“ liegt eine rassistische Beleidigung vor.

Diese ist dann ein Ermächtigungsdelikt, nicht bloß ein Privatanklagedelikt. Der/die Beleidigte kann mit einer formlosen schriftlichen Ermächtigung an die Staatsanwaltschaft erreichen, dass dieses Delikt von Amts wegen zu verfolgen ist. Das Prozesskostenrisiko muss nicht vom Opfer getragen werden.